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Stuttgarter Zeitung,
02.05.2003
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Gewerkschaften beklagen Sozialabbau
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Mai-Kundgebungen für Protest
gegen Bundesregierung genutzt - Krawalle in Berlin
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BERLIN (dpa/tja). Rund eine Million
Menschen haben am Tag der Arbeit in ganz Deutschland
gegen die Reformpläne der rot-grünen Bundesregierung
protestiert. Damit gingen laut DGB doppelt so viele
Demonstranten auf die Straße wie im Vorjahr.
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Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD), der mit einem Pfeifkonzert auf der zentralen
DGB-Kundgebung bei Frankfurt empfangen wurde, verteidigte
seine Agenda 2010. "Dies ist der Weg, den wir
gehen müssen", sagte er. Die Gewerkschaften
fordern dagegen eine grundlegende Richtungsänderung
in der Reformpolitik. "Es kann nicht nur um
die Änderung von Details gehen", sagte
DGB-Chef Michael Sommer. In Schwerin demonstrierten
30 000 Jugendliche bei der sechsten Job-Parade für
mehr Chancen auf dem Ausbildungsmarkt. In der Hauptstadt
zogen unter dem Motto "Berlin braucht Arbeit,
Bildung und Zukunft" mehrere tausend Teilnehmer
vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus. |
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Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske
warf in Hamburg Rot-Grün vor, "blanken
Sozialabbau" als Reformpolitik zu verkaufen.
Das erinnere fatal an die Zeit der Regierung Kohl.
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sagte in Bielefeld:
"Wir brauchen eine Investitionsoffensive und
mehr öffentliche und private Investitionen,
um die lahmende Binnenkonjunktur in Gang zu bringen."
Der Vorsitzende der IG Bergbau-Chemie-Energie (BCE),
Hubertus Schmoldt, bekräftigte in Wilhelmshaven
den Reformwillen seiner Gewerkschaft. "Wir
sind für die Erneuerung - aber es muss dabei
gerecht zugehen", sagte er. |
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Unterstützung erhielt Schröder
von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und
Bundesminister Wolfgang Clement (alle SPD). Clement
sagte in Gelsenkirchen: "Wir sind zu einer
grundlegenden Wende in der Wirtschafts-, Finanz-
und Sozialpolitik gezwungen." Thierse verteidigte
in Cottbus die Agenda 2010, sagte aber auch: "Wir
müssen diesen Reformprozess gerecht gestalten,
und alle müssen dazu ihren Beitrag leisten."
FDP-Chef Guido Westerwelle forderte dagegen die
Entmachtung der Arbeitnehmervertreter. |
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Die Feiern zum 1. Mai sind in Berlin
wie in den Vorjahren von schweren Krawallen überschattet
worden. Randalierende Jugendliche attackierten gestern
Abend in Kreuzberg die Polizei und schleuderten
Flaschen und Steine. Autos gingen in Flammen auf,
Steine wurden aus dem Pflaster gerissen, die Schaufenster
eines Autohauses wurden eingeschlagen. Die Gewalt
war am Abend ohne erkennbaren Grund eskaliert. Die
Polizei, die sich zuvor deutlich zurückgehalten
hatte, ging massiv gegen die Gewalttäter vor.
Die Beamten setzten Tränengas ein und fuhren
Wasserwerfer auf. Etwa 30 Störer wurden festgenommen.
Bereits in der Nacht zum Donnerstag waren in Berlin
und Hamburg etwa 200 Randalierer festgenommen worden.
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In zahlreichen Ländern standen
die Kundgebungen zum 1. Mai im Zeichen von Protesten
gegen die jeweilige Regierungspolitik. In Tokio
forderten die Demonstranten mehr Arbeitssicherheit.
Auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern feierten
die Gewerkschaften aus dem griechischen und dem
türkischen Teil erstmals seit 45 Jahren gemeinsam.
Hunderttausende Gewerkschafter demonstrierten in
Frankreich gegen die vom konservativen Premierminister
Jean-Pierre Raffarin geplanten niedrigeren Rentenansprüche
und längeren Arbeitszeiten. Auf landesweiten
Mai-Kundgebungen in Russland forderten mehrere hunderttausend
Gewerkschafter und Kommunisten gerechte Löhne.
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