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Ostseezeitung,
02. Mai 2003
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Mit Techno für mehr Ausbildungsplätze
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Die bundesweit wohl lauteste Mai-Demo
stieg gestern in Schwerin - die sechste Job Parade.
30 000 junge Leute tanzten gegen die Ausbildungsmisere.
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Schwerin (OZ) "Sonst ist hier
ja nix los!", schimpft Sabrina Jahnke (17)
aus Schwerin. Auch wenn ihr Techno nicht gefalle
- sie will auf jeden Fall dabeisein bei der Job
Parade. Sagt's, und ist schon im Getümmel verschwunden.
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Die Landeshauptstadt gestern Nachmittag:
30 000 junge Leute sind auf den Beinen. Auf die
Minute genau 12 Uhr eröffnen DGB-Nord-Jugendsekretär
Olaf Schwede (mit dem Eingeständnis, schuld
am Spektakel zu sein) und Schwerins OB Norbert Claussen
(mit alberner Baseballmütze) die Parade. 14
mit Stromerzeugern, Plattenspielern, Lautsprechern,
DJs und zahllosen Ravern schwer beladene Trucks
gehen auf die vier Kilometer lange Tour durch Schwerin.
Behängt mit Parolen ("Her mit dem schönen
Leben!", "Berufsschule bald mangels Budget
geschlossen!") und Werbung für Handys,
Discos, Gerüstbaufirmen. Eigentlich sollten
es 15 Lkw sein, "doch beim ver.di-Truck flog
in der Nacht die Deko weg", erklärt Projektleiter
André Harder. Auch ein DGB-Lkw: ausgefallen!
Statt dessen sei überraschend das Teterower
Bergringrennen dabei. |
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Die Stimmung steigt. Techno. Hart.
Laut. 160 Beats pro Minute. Die Enten auf dem Pfaffenteich
gucken verstört. Gogos und Aushilfs-Gogos ziehen
ihre Pullover aus. Zeigen ihre ordnungsgemäß
abgemagerten, solariengebräunten Körper.
Bauchnabel-Piercings. Und auch mal ein frisches,
leicht entzündetes Tattoo. Der Wind ist kühl.
Dunkle Wolken. "Es ist doch nicht Volkstrauertag
- mehr Action", fordert ein DJ von den Tänzern
auf seinem Sattelschlepper. "Rechts ist das
Fernsehen - NDR und Beate-Uhse-TV!" Und: "Wir
wollen mehr Ausbildungsplätzeee!!!" |
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Der Trillerpfeifen-Verkäufer
an der Ecke hat viel zu tun: Zwei Euro das Stück.
"Zwei", fordert ein Mädchen, Sonnenblumen
im Haar und eine Mai-Nelke in der Hand. Ihre (sicher
minderjährige) Freundin trägt geflochtene
Zöpfe, einen Hauch von Rock, dazu ein metallisch
glänzendes Oberteil(chen). Beide klettern auf
einen Truck, beginnen zu tanzen. Ein TV-Team drängelt.
Die Kamera zoomt. Großaufnahme. "RTL
II?" "Nee, ARD!" |
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Dann: In Deckung gehen! Vom Truck
der Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gaststätten
regnet es Bonbons. Farbe: rosarot. Geschmack: undefinierbar.
Die zahllosen Zaungäste sammeln sie eifrig
ein. Ursula Lüneborg dagegen hält sich
zurück. Die 63-Jährige sitzt abseits am
Ufer des Pfaffenteichs. "Ich bin extra aus
Sternberg angereist. Schöne Party. Wir haben
in jungen Jahren auch viel getanzt", erzählt
sie. Nur ihr Dackel guckt verstört. Ebenfalls
jedes Jahr dabei: Joachim Koppitz (54) aus Schwerin.
"Bin eben Altrocker." |
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Premiere ist die Demo hingegen für
Marta Hoffmann aus Wismar. Sie möge zwar eher
die Musik "von Daniel Küblböck und
den anderen Superstars", erklärt die Vierjährige
von Papas Schultern aus. Schön sei es dennoch!
Das findet auch ein übergewichtiger Schnauzbartträger.
"Wir ficken alles", hat er sich auf seine
Mütze gemalt. Noch scheint er die Drohung nicht
wahr gemacht zu haben. |
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Ein Regenguss kann die Stimmung nicht
trüben. Gegen 15 Uhr ist der Alte Garten erreicht.
Große Abschlusskundgebung. Sonne. "Ein
Bombenerfolg", sagt DGB-Nord-Jugendsekretär
Olaf Schwede. |
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THOMAS LUCZAK |
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Hoffnung für Jugendliche ohne
Lehrstelle |
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Mit einem neuen Ausbildungsprogramm
sollen in Mecklenburg-Vorpommern 3000 neue Lehrstellen
geschaffen werden. |
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Schwerin (OZ/dpa) Unmittelbar vor
der gestrigen Job Parade in Schwerin haben sich
Landesregierung, Unternehmer und Gewerkschaften
auf ein Drei-Säulen-Modell für mehr Ausbildung
verständigt. Die Einigung ist nicht nur eine
gute Nachricht für die Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern,
auch die Betriebe erhalten Planungssicherheit, sagte
DGB-Vize Ingo Schlüter. Insgesamt sollen mit
dem Programm 3000 neue Lehrstellen geschaffen werden.
Danach sollen möglichst alle Jugendlichen in
M-V im Herbst einen Ausbildungsplatz erhalten. Betriebe,
die erstmals ausbilden oder ein neues Berufsbild
anbieten, erhalten eine Prämie pro abgeschlossenen
Ausbildungsvertrag. Kleinere Firmen, die sich zu
einem Ausbildungsverbund zusammenschließen,
werden in den Genuss der Prämie kommen. Die
Ausbildungsprämie soll für männliche
Bewerber 1500 Euro betragen, für weibliche
Jugendliche 2000 Euro. Zudem werden 1000 außerbetriebliche
Plätze zur Verfügung gestellt. Die Landesregierung
geht dennoch von 3000 Jugendlichen aus, die bis
Herbst keine Lehstelle finden werden. Die Gewerkschaften
hatten von 4000 Anwärtern gesprochen. |
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Ausbildung war auch das Leitthema
bei der Job Parade in Schwerin. Damit hat die Landeshauptstadt
auch in diesem Jahr wieder eine der bundesweit größten
und schrillsten Veranstaltungen zum Tag der Arbeit
auf die Beine gestellt. Tanzend und feiernd ließen
sich die jungen Leute selbst von dunklen Wolken
und Regenschauern nicht vom Partygeschehen abhalten.
Rund 30 000 Jugendliche nahmen laut DGB an dem Maispektakel
in der Landeshauptstadt teil. Unter dem Motto "Youth
can't wait" zogen die Jugendlichen zu Techno-Klängen
durch die Innenstadt. Neben Spaß und Party
ging es dem DGB und den Teilnehmern aber auch darum,
auf hohe Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel
hinzuweisen und bessere Möglichkeiten für
eine Ausbildung einzufordern. Auf Plakaten und Schriftbändern
verlangten sie mehr Jobs. Rund 220 Polizisten sorgten
für Sicherheit. |
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Bundesbildungsministerin Edelgard
Bulmahn (SPD) zufolge verweigern sich immer mehr
Betriebe bei der Ausbildung: So bilden in den alten
Ländern nur noch 23,8 Prozent der 1,67 Millionen
Betriebe Jugendliche aus; 1990 waren dies noch 28,7
Prozent. In den neuen Ländern sind es sogar
nur 19,8 Prozent; 1995 waren es 18,7 Prozent. |
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