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Schweriner Volkszeitung
, 02. Mai 2003
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Jugend tanzt gegen Jobmisere |
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30000 Teilnehmer bei 6. Job Parade
/ DGB fordert Ausbildungsreform
Schwerin (aho) Mit der 6. Job Parade in Schwerin
hat der DGB gestern eine bundesweite Kampagne für
ein Recht auf Ausbildung gestartet. Rund 30 000
Jugendliche nahmen sich ihr Recht auf Spaß
und protestierten auf Deutschlands größter
und schrillster Mai-Kundgebung mit Techno-Beats
gegen die Jobmisere. |
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"Wer nicht ausbildet, muss zahlen":
Mit Plakaten, wummernden Beats und
13 Trucks zogen laut Polizeiangaben rund 30000 junge
Leute durch die Landeshauptstadt. Lautstark demonstrierten
sie gegen Job- und Lehrstellenmangel und feierten
dabei eine riesige Open-Air-Party. Obwohl der Gewerkschaftsbund
im Vorjahr noch 50000 Teilnehmer zählte, wertete
Olaf Schwede von der DGB-Jugend Nord die Resonanz
als "Bombenerfolg". Sozialministerin Marianne
Linke (PDS) unterstrich die Bedeutung der Job Parade:
"Ausbildung ist wichtig, deshalb müssen
die Jugendlichen weiter Druck machen." |
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Die Gewerkschaft nutzte ihre größte
Mai-Kundgebung in Deutschland, um eine bundesweite
Kampagne zur Reform des Berufsbildungsgesetzes zu
starten. "Zurzeit fehlen 140000 Ausbildungsplätze,
davon allein 84000 in den neuen Bundesländern.
Die Lage ist dramatisch", sagte Ingrid Sehrbrock
vom DGB-Bundesvorstand. Kernziele der Reform sind
demnach, einen individuellen Rechtanspruch auf Ausbildung
durchzusetzen, die Qualität der Berufsschulen
zu verbessern und europäische Standards zu
schaffen. Kritik übte Sehrbrock an den Unternehmern.
Nur 23 Prozent aller Betriebe bildeten aus - sieben
Prozent weniger als im Vorjahr. |
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Aktionen zum Tag der Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern
fanden auch in Rostock, Stralsund und Neubrandenburg
statt. Der DGB Nord forderte von der Bundesregierung,
das Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm
Ost zu erhöhen. Auf Landesebene konnten sich
Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften bereits
am Vortag der Job Parade auf eine Prämienzahlung
verständigen. |
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Schrille Techno-Party für
"Ausbildungsplätzchen" |
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Tanzwut, Protest und Politik: 6. Jugend-Spektakel
in Schwerin
Von Helge Ahrens |
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Mit einem hölzernen Bauchladen
tänzelt Joschka Fischer durch die Menge. Seine
selbst gebackenen Plätzchen finden reißenden
Absatz. Über ihm, auf dem Truck der IG Bergbau,
Chemie und Energie, thront Gerhard Schröder.
Der Kanzler hüpft wie ein Gummiball neben einer
Blondine. Auch er wirft Gebäck über grüne,
blaue und gelbe Köpfe hinweg, die im Rhythmus
hämmernder Techno-Beats auf und ab wippen.
"Die schönsten Plätzchen in Deutschland
sind die Ausbildungsplätzchen", lautet
der Slogan, den die mit Gummimasken getarnten Jugendlichen
propagieren. |
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Traum von der Lehrstelle
Politik einmal anders. Tanzwütig, bunt, schrill,
ausgelassen, unüberhörbar - so feiern
etwa 30000 Jugendliche die Job Parade und machen
ihrem Ärger Luft. Über Arbeitslosigkeit,
Lehrstellenmangel und Qualität der Lehre. "Ausgebildet
in Ruinen" steht zwischen Graffitis auf dem
Truck der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten.
"SOS Berufsschule", heißt es an
Wagen Nr. 2. Andere lassen Bilder wirken: Der Traum,
Astronaut oder Star zu werden - er sei längst
dem Traum von einer Lehrstelle gewichen. |
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"Youth can't wait" - auch
bei der sechsten Auflage der bundesweit größten
Maikundgebung wollen die Jugendlichen nicht warten.
Schon vor dem Startschuss tanzen sie sich neben
den 13 Trucks warm. Silberne Trillerpfeifen mit
neongrünen Bändern gehören zur Grundausstattung.
Um 12 Uhr fällt der Startschuss. Das tiefe
Brummen der schweren Lkw ist nicht mehr zu hören.
Stattdessen graben sich dröhnende Bässe
in die Körper. Lautstark setzen sich die dicht
umringten Trucks in Bewegung. Aus einigen strömt
weißer Nebel, Luftballons fliegen in den Himmel.
Rosen, Flyer und Bonbons landen in der Menge, Arme
kreisen durch die Luft. |
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"Wollt ihr Arbeit?"
Im feuerroten IG-Metall-Truck feiert die junge Besatzung
auf zwei Ebenen. Die Forderung lautet gleicher Lohn
in Ost und West. "Was hat mein Lohn mit meiner
Adresse zu tun?", fragen die Jugendlichen.
Einer der 58 DJs durchbricht die Techno-Kulisse:
"Wollt ihr Arbeit?", brüllt er der
Menge zu. Die Antwort geben hunderte Trillerpfeifen.
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Immer mehr Tanzwütige scharen
sich auf dem 3,8 Kilometer langen Weg zum Open-Air-Spektakel
auf dem Alten Garten um den Zug. Passend zur Stimmung
scheint zeitweilig die Sonne und wärmt die
Gogo-Girls, die sich leicht bekleidet auf einigen
Wagen räkeln. Doch ebenso passend bleiben einige
Wolken - so düster und bedrohlich wie die berufliche
Perspektive vieler Jugendliche im Land. Laut Deutschem
Gewerkschaftsbund (DGB) sind knapp 25000 junge Leute
arbeitslos, es fehlen 4000 Lehrstellen. "Wir
wollen (unsere) Zukunft - Hier!!!", prangt
in blauen Lettern auf einem gelben Plakat. "Es
ist kein Zufall, dass am Vorabend der Job Parade
ein Kompromiss zur Ausbildungsförderung erzielt
wurde", ist sich Ingo Schlüter, Vize-Chef
des DGB Nord, der Wirkung des Protestzuges sicher.
Zufrieden schaut er zu einer Gruppe feiernder Mädchen.
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Mitten im Gewühl reißt
Gisela Pummerow die Arme empor und wippt im Takt
wummernder Rave-Klänge, die neben ihr aus riesigen
Boxen dröhnen: "Die Musik könnte
ich jeden Tag hören", freut sich die 63-Jährige.
Sichtlich irritiert schaut sich dagegen Rainer Schluseneck
das Treiben an. Der Hamburger ist als ahnungsloser
Tourist nach Schwerin gekommen, aber sofort begeistert:
"Es ist dringend notwendig, dass so etwas gemacht
wird". |
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Patrick Rata fährt sich durch
die blauen Haarstoppel. Ein letztes Mal greift er
zu seinem grünen Energydrink. Dann stürzt
er sich ins Getümmel. "Ich will Party
machen." Wenigstens für heute möchte
der 18-Jährige die 30 erfolglosen Bewerbungen,
die er bereits abgeschickt hat, vergessen - heute
begnügt er sich auch mit einem
essbaren "Ausbildungsplätzchen".
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Tausende bei Techno und Tanz |
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Politik und Party: Variationen vom
1. Mai / Job Parade weiter Publikumsmagnet
Schwerin Mit der Job Parade findet in Schwerin Deutschlands
größte Maifeier statt. Bessere Chancen
für die Jugend lautet das Motto - schließlich
ist der 1. Mai der Tag der Arbeit. Tradition hat
es allerdings schwer, wenn die Stadt im Techno-Takt
vibriert. |
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Sowohl die neue "Tanz in den
Mai"-Veranstaltung des DGB am Alten Garten
am Vorabend noch die 6. Job Parade gestern zogen
wieder Tausende an. Trotz des unsicheren Wetters
kamen 30000 zum lustvollen Demonstrieren nach Schwerin,
die Parade bleibt damit Deutschlands größte
Mai-Veranstaltung - und wohl eine der lautesten.
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In Stimmung gebracht hatten sich tausende
Techno-Jünger bereits am Mittwoch beim "Spätschicht"-Rave
in der Kongresshalle, mehr als 35 DJs sorgten für
harte Rhythmen. |
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Gepflegt wurde auch die traditionelle
Variante der Maifeier: SPD und PDS hatten jeweils
zum Frühschoppen geladen, viele Lokale boten
den klassischen Tanz in den Mai an. Nur das Theater
Agon hatte Pech: Wegen eines Wasserrohrbruches musste
es seine Veranstaltung verlegen. |
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Philip Schroeder |
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