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Süddeutsche
Zeitung, 02.05.2003
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1. Mai: Rund eine Million Menschen
demonstrieren in Deutschland |
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Kanzler ausgepfiffen |
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In der Nacht kam es in
Berlin zu gewaltätigen Auseinandersetzungen
zwischen der Polizei und Jugendlichen. |
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Rund eine Million Menschen haben am
Tag der Arbeit in ganz Deutschland gegen die Reformpläne
der Bundesregierung protestiert. Damit gingen am
Donnerstag fast doppelt so viele Leute auf die Strasse
wie im Vorjahr. Im Jahr zuvor hatten die Veranstaltungen
zum 1. Mai nur rund 500 000 Menschen angelockt.
Die Kundgebungen standen in diesem Jahr unter dem
Motto «Reformen Ja - Sozialabbau Nein Danke!».
Bundeskanzler Gerhard Schröder, der mit einem
Pfeifkonzert auf der zentralen Kundgebung des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB) in Neu-Anspach bei Frankfurt
am Main empfangen worden war, verteidigte vor rund
6000 Menschen seine «Agenda 2010». |
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Auswärtsspiel für Schröder
Für den Kanzler war der Auftritt ein Auswärtsspiel
bei der eigenen Basis. Denn mit seinen Reformplänen
hat der SPD-Chef die Gewerkschaften gegen sich aufgebracht,
obwohl diese noch immer als die traditionellen Verbündeten
der Sozialdemokraten gelten. DGB-Chef Michael Sommer
machte Schröder in Neu-Anspach denn auch zum
wiederholten Mal klar, dass er bei seinen Plänen
nicht auf die Gewerkschaften bauen kann. Bei den
angestrebten Reformen könne es nicht nur um
die Änderung von Details gehen, betonte Sommer
und forderte eine «echte Reformagenda statt
Sozialabbau.» |
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Richtungsänderung gefordert
Mehrere Gewerkschaftschefs forderten in zahlreichen
Städten eine grundlegende Richtungsänderung
in der Reformpolitik. In Schwerin demonstrierten
mehrere tausend Jugendliche bei der sechsten «Job
Parade» für mehr Chancen auf dem Ausbildungsmarkt.
Parallel zu den 1. Mai-Kundgebungen der Gewerkschaften
forderte FDP-Parteichef Guido Westerwelle deren
Entmachtung. Mit Blick auf die Demonstrationen sagte
er in Berlin auf einer Veranstaltung seiner Partei,
jeder der an diesem Tag mit roten Fahnen draussen
vorüberziehe, stehe für Tausende von Arbeitslosen.
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Nächtliche Krawalle
In Berlin waren in der Nacht zuvor bei Krawallen
mehrere Menschen verletzt worden. Nach Angaben der
Polizei attackierten vermummte gewalttätige
Jugendliche kurz vor Mitternacht die Beamten mit
Flaschen, Steinen und Leuchtmunition. Tränengas
sei nicht eingesetzt worden. Bis kurz vor Mitternacht
hatten im Stadtzentrum rund 5000 Menschen friedlich
die Walpurgisnacht gefeiert. Nach Beginn der Krawalle
räumte die Polizei das Gelände. In den
übrigen Stadtteilen Berlins war die Lage bis
einige Stunden nach Mitternacht weitgehend ruhig
geblieben. (sda/cze) |
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