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Der Spiegel, 01. Mai 2005


 

DGB prangert Profitgier in Vorstands-etagen an

Wie schon lange nicht mehr war der 1. Mai in diesem Jahr geprägt von aggressiven Tönen. Die Gewerkschaften warfen den deutschen Unternehmen am Tag der Arbeit Profitgier auf Kosten der Arbeitnehmer vor. FDP-Chef Westerwelle sagte seinerseits den Gewerkschaften den Kampf.

Mannheim/Frankfurt - Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sagte bei der Hauptkundgebung in Mannheim, die Rechte der Arbeitnehmer seien in Gefahr. Er forderte die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen auf. Insgesamt nahmen nach DGB-Angaben bei meist strahlendem Sonnenschein bundesweit rund 530.000 Teilnehmer an den Kundgebungen teil, 30.000 mehr als im vergangenen Jahr.

Sommer kritisierte vor 7000 Zuhörern in Mannheim, in den Vorstandsetagen herrsche "die nackte Gier". Manche Topmanager seien nicht einmal mit 20 Prozent Kapitalrendite zufrieden. Unternehmer und Manager, die nicht investierten, seien Schuld an der Massenarbeitslosigkeit, weshalb die von SPD-Chef Franz Müntefering gestartete Kapitalismus-Debatte zu konkreten Gegenmaßnahmen führen müsse. "Falschen Entwicklungen muss man sich in den Weg stellen", forderte Sommer, und verlangte Nachbesserungen bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV sowie eine europaweite Harmonisierung der Unternehmensteuern.

Bundeskanzler Gerhard Schröder nahm zum zweiten Mal in Folge nicht an der Hauptkundgebung des Gewerkschaftsbundes teil. Den Anstieg der Teilnehmerzahlen führte ein DGB-Sprecher auf "die zugespitzte Situation in den Betrieben zurück". Im Mittelpunkt der Kundgebungen stand dieses Jahr die Würde des Menschen. Sommer sagte, die Arbeitnehmer dürften nicht zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden, niemand dürfe sie zu reinen Kostenfaktoren degradieren.

Müntefering selbst bekräftigte seine Kapitalismus-Kritik bei einer Mai-Kundgebung in Duisburg und forderte die Unternehmen in einer von Buhrufen und Eierwürfen begleiteten Rede auf, sich Standort und Arbeitnehmern verpflichtet zu fühlen.

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, griff die deutsche Wirtschaft an, die trotz boomender Exporte und Gewinne Löhne, Kündigungsschutz, Streikrecht und Mitbestimmung kürzen und Arbeitszeiten verlängern wolle. Der Bundesregierung warf Bsirske bei seiner Mairede in München vor, "erneute Steuergeschenke" an die Wirtschaft zu verteilen und gleichzeitig Arbeitslose in Armut zu stürzen. IG-Metall-Chef Jürgen Peters forderte bei seiner Rede in Frankfurt am Main konkrete Schritte zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und Ankurbelung der Binnenkonjunktur.

Der Chef der IG Bergbau-Chemie-Energie, Hubertus Schmoldt, sagte in Ludwigshafen laut Redetext, die großen Unternehmen böten sich mittlerweile "einen geradezu obszönen Wettbewerb um die höchste Steigerung der Rendite". Der Hauptredner der IG BAU, Hans-Joachim Wilms, trat in Hannover für Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping ein. Verhindert werden müsse dadurch auch eine europafeindliche Stimmung.

Unter dem Motto "Youth can't wait" (Die Jugend kann nicht warten) zogen in Schwerin wieder Tausende Jugendliche bei der wohl größten Mai-Kundgebung mit Techno-Musik durch die Innenstadt, um für Lehrstellen und Arbeitsplätze zu demonstrieren.

Kritik an den Kundgebungen kam erneut von FDP-Chef Guido Westerwelle, der die Gewerkschaften wegen ihrer "reformfeindlichen Reden" als "Totengräber des deutschen Wohlstands" bezeichnete. Er hatte bereits zuvor heftigen politischen Streit ausgelöst. Gegenüber "Focus" nannte er Funktionäre von DGB und ver.di als "die wahre Plage in Deutschland". Zugleich kündigte Westerwelle an, die Gewerkschaften nach einem Wahlsieg 2006 entmachten und dafür auch Massenproteste in Kauf nehmen zu wollen.

Weltweit demonstrierten Hunderttausende Menschen am Tag der Arbeit. Wie in Frankreich und Russland richtete sich der Protest vielerorts gegen die Regierungspolitik, in Nepal gingen die Menschen für mehr Demokratie auf die Straße. Mehr als 200.000 Japaner forderten ein Verbot von Atomwaffen und wandten sich gegen eine Änderung der pazifistischen Verfassung ihres Landes.


   

   
 
   
 


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