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DGB
prangert Profitgier in Vorstands-etagen an
Wie schon lange nicht mehr war der 1. Mai in diesem
Jahr geprägt von aggressiven Tönen. Die Gewerkschaften
warfen den deutschen Unternehmen am Tag der Arbeit Profitgier
auf Kosten der Arbeitnehmer vor. FDP-Chef Westerwelle
sagte seinerseits den Gewerkschaften den Kampf.
Mannheim/Frankfurt - Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer
sagte bei der Hauptkundgebung in Mannheim, die Rechte
der Arbeitnehmer seien in Gefahr. Er forderte die Bundesregierung
zu Gegenmaßnahmen auf. Insgesamt nahmen nach DGB-Angaben
bei meist strahlendem Sonnenschein bundesweit rund 530.000
Teilnehmer an den Kundgebungen teil, 30.000 mehr als
im vergangenen Jahr.
Sommer kritisierte vor 7000 Zuhörern in Mannheim,
in den Vorstandsetagen herrsche "die nackte Gier".
Manche Topmanager seien nicht einmal mit 20 Prozent
Kapitalrendite zufrieden. Unternehmer und Manager, die
nicht investierten, seien Schuld an der Massenarbeitslosigkeit,
weshalb die von SPD-Chef Franz Müntefering gestartete
Kapitalismus-Debatte zu konkreten Gegenmaßnahmen
führen müsse. "Falschen Entwicklungen
muss man sich in den Weg stellen", forderte Sommer,
und verlangte Nachbesserungen bei der Arbeitsmarktreform
Hartz IV sowie eine europaweite Harmonisierung der Unternehmensteuern.
Bundeskanzler Gerhard Schröder nahm zum zweiten
Mal in Folge nicht an der Hauptkundgebung des Gewerkschaftsbundes
teil. Den Anstieg der Teilnehmerzahlen führte ein
DGB-Sprecher auf "die zugespitzte Situation in
den Betrieben zurück". Im Mittelpunkt der
Kundgebungen stand dieses Jahr die Würde des Menschen.
Sommer sagte, die Arbeitnehmer dürften nicht zu
Menschen zweiter Klasse degradiert werden, niemand dürfe
sie zu reinen Kostenfaktoren degradieren.
Müntefering selbst bekräftigte seine Kapitalismus-Kritik
bei einer Mai-Kundgebung in Duisburg und forderte die
Unternehmen in einer von Buhrufen und Eierwürfen
begleiteten Rede auf, sich Standort und Arbeitnehmern
verpflichtet zu fühlen.
Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank
Bsirske, griff die deutsche Wirtschaft an, die trotz
boomender Exporte und Gewinne Löhne, Kündigungsschutz,
Streikrecht und Mitbestimmung kürzen und Arbeitszeiten
verlängern wolle. Der Bundesregierung warf Bsirske
bei seiner Mairede in München vor, "erneute
Steuergeschenke" an die Wirtschaft zu verteilen
und gleichzeitig Arbeitslose in Armut zu stürzen.
IG-Metall-Chef Jürgen Peters forderte bei seiner
Rede in Frankfurt am Main konkrete Schritte zur Bekämpfung
der Massenarbeitslosigkeit und Ankurbelung der Binnenkonjunktur.
Der Chef der IG Bergbau-Chemie-Energie, Hubertus Schmoldt,
sagte in Ludwigshafen laut Redetext, die großen
Unternehmen böten sich mittlerweile "einen
geradezu obszönen Wettbewerb um die höchste
Steigerung der Rendite". Der Hauptredner der IG
BAU, Hans-Joachim Wilms, trat in Hannover für Maßnahmen
gegen Lohn- und Sozialdumping ein. Verhindert werden
müsse dadurch auch eine europafeindliche Stimmung.
Unter dem Motto "Youth can't wait" (Die Jugend
kann nicht warten) zogen in Schwerin wieder Tausende
Jugendliche bei der wohl größten Mai-Kundgebung
mit Techno-Musik durch die Innenstadt, um für Lehrstellen
und Arbeitsplätze zu demonstrieren.
Kritik an den Kundgebungen kam erneut von FDP-Chef
Guido Westerwelle, der die Gewerkschaften wegen ihrer
"reformfeindlichen Reden" als "Totengräber
des deutschen Wohlstands" bezeichnete. Er hatte
bereits zuvor heftigen politischen Streit ausgelöst.
Gegenüber "Focus" nannte er Funktionäre
von DGB und ver.di als "die wahre Plage in Deutschland".
Zugleich kündigte Westerwelle an, die Gewerkschaften
nach einem Wahlsieg 2006 entmachten und dafür auch
Massenproteste in Kauf nehmen zu wollen.
Weltweit demonstrierten Hunderttausende Menschen am
Tag der Arbeit. Wie in Frankreich und Russland richtete
sich der Protest vielerorts gegen die Regierungspolitik,
in Nepal gingen die Menschen für mehr Demokratie
auf die Straße. Mehr als 200.000 Japaner forderten
ein Verbot von Atomwaffen und wandten sich gegen eine
Änderung der pazifistischen Verfassung ihres Landes.
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